Noch bevor die Hundebesitzer zu ihrer ersten Runde aufbrechen, sind Nissen und Schmidt schon zur Stelle. Dunkelblaue Uniform, schwere Stiefel, Warnwesten, auf denen in großen Buchstaben „Ordnungsamt“ steht. Sie leuchten grün im grau vor sich hindämmernden Park. Ein paar Tauben fliegen auf, als Schmidt und Nissen durch das Tor in der Ziegelmauer treten. Menschen sind erstmal keine in Sicht.
„Dann können wir ja noch eine rauchen“, sagt Nissen und kramt sein Equipment vor: Kippen, Feuer, eine kleine Dose mit Deckel, in die er dann lässig ascht. Die Blicke der Männer wandern. Sie sind heute früh auf Hundepatroullie. Punkt 7 Uhr haben sie das Wirtschaft- und Ordnungamt am Rathaus in Berlin-Kreuzberg verlassen. Der Einsatzplan heute: Östlicher Teil von Kreuzberg mit dem Görlitzer Park.
Ihr Beruf? „Ordnungsamtsaußendienstmit-arbeiter“, das Wort zergeht Schmidt auf der Zunge. 2004 haben in Berlin die Ordnungsämter Aufgaben von der Polizei übernommen, Knöllchen verteilen für Falschparken zum Beispiel, für Radfahren auf dem Gehweg, Schutt abladen und eben auch für Verstöße gegen die Hundevordnung. Schmidt und Nissen haben sich damals für diesen Job beworben. Nach mehr als 20 Jahren Polizeidienst, zuletzt im Abschiebegewahrsam. „Icke“, sagt Schmidt und klopft sich auf seine Wampe unter der neongrünen Weste, „hab da ne Planstelle gehabt, da hätte ich bleiben können bis 100. Aber ich mag diesen Job, der ist wichtig.“
Plötzlich ist Nissens Blick scharf. Da hinten, ein Hund! „Kriegen wir den?“ Die beiden sehen sich an. „Einer links rum. Einer rechts rum.“
Eine Frau trottet neben ihrem Hund her. Sie hat die Leine nicht mal dabei, so sicher ist sie, dass ihr Tier keinen Mist macht. Es soll nur eben schnell mal aufs Klo. Da plötzlich kommen Schmidt und Nissen angesprintet. Einer von links, einer von rechts. Ob ihr klar sei, dass sie soeben eine Ordnungswidrigkeit begehe? Die Frau reibt sich die Augen. Ja, sagt sie dann, geschützte Grünlage, da muss der Hund an die Leine. „Ihre Personalien?“ „Ich wollte doch nur mal eben...“ Nissen notiert Namen und Anschrift, überprüft sie. Die Rechnung kommt später.
25 Euro, erklärt Schmidt. Ein Verwarnungsgeld. Weil die Frau einsichtig war und fahrlässig, nicht aus Absicht heraus handelt. Im anderen Fall drohe ein Bußgeld, das sehr viel höher ausfallen könnte.
Man sieht sich immer mehrfach, wird Schmidt später sagen. Denn wer um diese Zeit hier den Hund ausführt, der wohnt hier auch. Und kommt also wieder. „So wie wir. Beim dritten, vierten Mal müssen wir fehlende Einsicht annehmen. Dann wird es teuer.“
„Da“, ruft Nissen. Der nächste. Ein bleicher Kerl mit Farbkleksen auf der ausgewaschenen Jeans und einer Schiebermütze, die schräg vor der Stirn hängt. Er beugt sich über einen Abfallbehällter, steckt seine Hand hinein, zieht eine Pfandflasche heraus und lässt sie in einen Leinenbeutel rutschen. Neben ihm wartet ein Boxermix. Genauso bleich. Die Augen drohend schwarz umrandet. Eiter suppt aus ihren Winkeln. „Halt“, sagt Schmidt und zückt das Foto-Handy. Seine Diagnose: Kampfhundmix, nicht ungefährlich.
„Da haben die im Tierheim nichts von gesagt“, knurrt der Mann. Und überhaupt habe er das Tier nur in Pflege, für einen Kumpel, der in der Justizvollzugsanstalt Moabit einsitzt. Der Hund sei ins Tierheim gekommen, als der Besitzer in den Bau ging. Der Mann versucht ein Lächeln, das sofort wieder einfällt. Ach, lasst mich, sagt sein Gesicht dann, ich brauch jetzt meinen Stoff und nicht eure dämliche Kontrolle. Nissen überprüft die Personalien. „So wie der Typ drauf war, ist er nicht fähig, einen Kampfhund zu führen“, wird er später sagen. Aber er gibt die Angaben jetzt nur weiter. Prüfen tun andere. Es drohen Bußgelder bis zu 10.000 Euro.
Schmidt und Nissen schlendern weiter. Wegen Situationen wie diesen, sagt Schmidt, liebe er seinen Job. „Wissen Sie, wie gefährlich diese Tiere sind?“ In der Ausbildung habe man ihnen einen Dokumentarfilm gezeigt, wo so ein Hund überhaupt nicht mehr losließ. „Da ist eine unheimlich Wucht dahinter“, sagt Schmidt. „Mehrere hundert Kilo pro Quadratzentimeter Zahn.“
Nissen schiebt seinen Ärmel hoch. Eine Narbe. Hundebiss. Ein belgischer Schäferhund. „Bin auf den Halter zu, ganz normal“, sagt er trocken, „da tickt der aus.“ Schmidt stand daneben, wie immer, einen halben Schritt dahinter. Der hat ihn dann in die Notaufnahme gebracht. Ob er jetzt Angst hat? „Angst ist ein schlechter Berater.“ Aber vorsichtiger sei er geworden. Und gründlicher.
„Mit Erfolg“, Schmidt klopft sich auf die Brust. Ein paar Zahlen: 2001 wurden im Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg noch 124 Fälle registriert, bei denen Menschen verletzt oder belästigt wurden, 2007 waren es nur noch 61.
Sie rauchen noch eine, bevor sie sich dem angrenzenden Kiez widmen. Falschparker, illegal geklebte Plakate, abgeladener Müll, ein schneller Anruf, dass die Stadtreinigung sich drum kümmert. Auch das gehört zu ihrem Job. Wer hier seinen Hund - Ausnahme: als gefährlich gelistete - frei laufen lässt, hat nichts zu befürchten. Auf dem Gehweg ist, anders als in geschützten Grünanlagen, kein Leinenzwang. „Nicht mal vor Schulen und Kindergärten.“ Schmidt schüttelt den Kopf.
Nächste Grünanlage. Mariannenplatz. Schmidt nimmt eine Frau in den Blick, die gerade auf den Weg in den Park ist. Ihr Hund will spielen. Erst lässt sie ihn, dann sieht sie die Männer und nimmt ihn ran. „Ermahnen?“, fragt Schmidt und legt einen Zahn zu, „Schmidt, Ordnungsamt“, ruft er die Frau an. Die lächelt kurz. Doch sie läuft weiter, stur geradeaus wie eine Lok auf den Gleisen. „Bleiben sie stehen!“ ruft Schmidt einmal, zweimal, dreimal, jetzt laut. „Kann ja sein, dass die Ohren taub sind.“ Die Frau eilt weiter. Schmidt baut sich mit seinen 130 Kilo vor ihr auf. Sie drängt vorbei. Er hält sie fest. „Das dürfen sie so nicht“, sagt sie patzig. „Das darf ich sehr wohl“, gibt er zurück. „Wollen Sie, dass ich die Polizei hole?“, fragt Schmidt. Nissen zückt das Handy.
Später addieren Schmidt und Nissen, was auf dem Bußgeldbescheid stehen könnte: Hund frei laufen lassen, den Anruf missachten, die Personalien verweigern. Sie kommen auf satt über 200 Euro. Rekordhalterin ist eine, die schaffte es auf 800.
Beliebt sind sie nicht, das ist Schmidt und Nissen auch klar. Einmal hatte Schmidt plötzlich ein Geräusch im Nacken. So ein schmatzendes Platsch. „Guck mal nach“, hat er zu Nissen gesagt und ihm den Rücken zugedreht. Tatsächlich, da hing ein dicker Klecks Rotze. Irgendwer hatte ihn angespuckt. Am Abend war Schmidts Frau dann ganz zärtlich. „Gib her“, sagte sie und meinte die eingerotzte Jacke, „die musst du nicht auch noch waschen.“ Schmidt sagt, dass er auch sowas durchaus wegsteckt. „Die meinen ja nicht mich. Die wollen die Uniform treffen. Ich bin nur der Außendienstbeppo.“
Mittwoch, 4. November 2009
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